Tagungsbericht

Jahresauftakt des JFF: Kreativität neu denken?!

KI – mein neuer Co-Produzent

Nur Mut! Nutzen wir die Chancen, die uns KI bietet für spannende medienpädagogische Projekte! So lautet die Botschaft des Jahresauftakts des JFF.

Die inzwischen 9. medienpädagogische Jahresauftakttagung stand im Zeichen der Künstlichen Intelligenz, ihren Möglichkeiten und Chancen – aber auch vor der Frage: Was passiert in Zeiten von KI eigentlich mit unserer menschlichen Intelligenz?

Bayerns Jugendministerin Ulrike Scharf umriss in ihrem Video-Grußwort bereits die Dimensionen, mit denen sich die Fachkräfte-Tagung des JFF auseinandersetzen würde: „Im Beruf, zu Hause, unterwegs – überall profitieren (junge) Menschen von neuen Technologien, mit denen geradezu Unvorstellbares möglich wird – beispielsweise ein künstlich generiertes Bild des Papstes in schicker Daunenjacke. Die von KI erzeugten Bilder und Texte stellen uns vor mindestens ebenso unvorstellbar große Herausforderungen. Kinder und Jugendliche – aber auch wie Erwachsenen müssen zwischen Realität und Fiktion unterscheiden können. Die KI kann schon vieles können. Emotionen und Erfahrungen bleiben aber menschlich und werden wohl immer auch in die medialen Produktionen einfließen. Und: Kreativität von Heranwachsenden darf nicht von Technologie erstickt werden. Die JFF-Tagung könne dazu Antworten formulieren.“

Juliane Ahlborn, Universität Bielefeld, wunderte sich in ihrem Impulsvortrag zunächst, warum nicht zuletzt pädagogische Fachkräfte künstliche und menschliche Intelligenz miteinander vergleichen würden. Das würde dazu führen, dass der KI anthropomorphe Eigenschaften zugeschrieben würden. Ihrer Meinung komme es jedoch darauf an, zu erkennen, dass es weitere Formen von Intelligenz gebe, die wir aber oft nicht beschreiben könnten. Vergleichen wollte sie diesen Gedankenansatz mit einer Kunstblume. Auch wenn diese noch so täuschend echt gestaltet sei, würde niemand auf die Idee kommen, dass aus dieser Kunstblume eine echte Blume werden könne. Vielmehr sei KI als das zu bewerten, was sie sei: Ein Werkzeug zur fast unbegrenzten Kontingenzsteigerung in einer hoch komplexen Welt.

Schuld an einer Fehleinschätzung von KI sei, wie man über sie spreche. Durch eine Art Mystifizierung der Technologie erscheine die auch intransparent und gar bedrohlich. Das Reden präge so das Denken und Handeln mit KI. Dabei könne dabei im Moment vor allem Muster in großen Datensätzen erkennen und damit neue Handlungsräume etablieren. Dahinter stecke weniger Kreativität als man annehmen würde; andererseits ist zu fragen, wie kreativ Menschen denn eigentlich wirklich seien. Es bleibe das Manke, dass in Forschung und Praxis noch kein klares Raster dazu bestehe, was Kreativität tatsächlich ausmache.

Bislang verwende man den Begriff der Kreativität vor allem bei künstlerischen Werken, die über sich hinausweisen. Nachdem aber Kreativität auch natürlich und soziale Prozesse umfassen würde, müsse man Kreativität als universell und veränderlich beschreiben. Dann könne man auch die KI besser in ihrem Vermögen beurteilen, Neues zu erstellen.

Vor diesem Hintergrund stelle sich dann auch nicht mehr die Frage, ob KI den schöpferisch wirkenden Mensch verdrängt wird. Vielmehr würden sich wertvolle Synergien ergeben aus dem Zusammenspiel zwischen Technologien und Mensch ergeben. Ahlborn spricht in diesem Zusammenhang von Co-Kreativität; KI stimuliert menschliche Kreativität.

Dabei treten jedoch unerwünschte Phänomene auf, auf die reagiert werden muss. So könne KI durch den Rückgriff auf bekannte Daten und Muster Stereotype reproduzieren und sogar verfestigen. Deshalb sei es zwingend nötig, dass in medienpädagogischen Settings darauf verwiesen werde, woher Daten stammen und wie die Algorithmen diese verarbeiten.

Angelika Beraneck, Hochschule München, ging im zweiten Impulsvortrag der Tagung vor allem auf die Frage ein, wie viel Kreativität in der KI steckt und welche Perspektiven die Medienpädagogik auf diese Frage anbietet. Um die Frage zu beantworten, müsse man voraussetzen, dass die KI ein „handelndes Gegenüber“ ist, deren Kreativität als Fähigkeit bestimmbar ist. Beides sei aber nicht selbstverständlich. Gleichzeitig müsse die Medienpädagogik die Frage beantworten, welche Kompetenzen sie vermitteln muss, um KI zu beherrschen und nutzbar zu machen.

Ihrer Ansicht nach werde man nicht ermitteln können, in welchem Maße die KI wirklich intelligent sei. Es gehe vielmehr um Zuschreibungen. Dabei müsse in die Bewertung einfließen, dass die KI ihr Handeln aufgrund früherer Erfahrungen anpassen könne. Sie sei deshalb mehr als der bislang vermutete „stochastische Papagei“, der eigentlich nur wiederholen, was er schon gehört hat.

Definiert man Kreativität als einen Schaffensprozess aus dem Nichts, der eigentlich nur Gott vorbehalten sei, müsste man konstatieren, dass weder der Mensch noch die KI wirklich kreativ sein können, weil beide auf Vorwissen und Erfahrungen zurückgreifen.

Aufgabe von (Medien-)Pädagogik sei es, Wissen über die Welt zu vermitteln. Dieses Wissen wird durch KI jedoch zunehmend generiert, aggregiert und kommentiert. Es sei heute schon üblich, dass zum Beispiel Nachrichten von KI-Algorithmen erstellt würden. Bei genauer Betrachtung sei also das Weltwissen in großen Teilen ein Remix von bereits Bekannten – eine neue Zusammenstellung von bekannten Fakten und eine neue Interpretation der Daten. Remixing sei deshalb ein kultureller Ausdruck der gesellschaftlichen Verfasstheit. KI kann besonders gut Datenmuster erkennen, sie auslesen und rekombinieren.

Jüngere Untersuchungen hätten nun ergeben, dass KI und menschliche Intelligenz in einem direkten Vergleich ebenso kreativ, originell und intelligent seien – die KI tendenziell sogar besser abschneide. KI reproduziere also nicht nur das Erwartbare, sondern könne in einem traditionellen Verständnis von Kreativität durchaus Neues schaffen. Dahinter stecke die Erkenntnis, dass Kreativität mehr ist als das künstlerische Produkt. Es gehe also nicht primär darum, einen fertigen Film, einen Song oder ein Bild zu haben, sondern um den Prozess der Erstellung.

KI seien also neue Agenten im Schaffensprozess, sie sind Co-Produzenten und damit ein technologisches Element von Gruppenarbeit. In so verstandenen Prozessen liefere KI Inspirationen und Ideen, trage Perspektiven und Argumente zusammen. Darin sei sie menschlicher Intelligenz durchaus überlegen.

Wenn KI künftig im Bereich der Medienpädagogik viel stärker als Co-Produzent wahrgenommen werde, wird sie als Werkzeug entmystifiziert und diene als kreative Tool

Kreativität sei künftig ganzheitlich zu denken, d.h. vor allem weg von einer Produktorientierung in der Medienpädagogik hin zu einem Verständnis von kreativen Lösungsprozessen in der Gruppe. Im pädagogischen Kontext bedeute dies aber auch, dass Entscheidungen der KI nicht unhinterfragt bleiben sollten – der Souverän soll in jedem Fall der Mensch bleiben.

Für andere Fragen im Zusammenhang mit KI – etwa hinsichtlich des Urheberechts oder der Vergütung für Künstler*innen – gebe es bewährte Modelle aus der analogen Welt, die angepasst werden könnten.

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